Du hast Deinen Hund gerade vom TRAPO oder Flughafen abgeholt und wunderst Dich jetzt schon, warum er nicht an der Leine laufen möchte und keinen Keks aus der Hand nimmt? Dann bist Du hier richtig….
Die ersten 3 Tage benötigt der Hund, um sein Trauma irgendwie zu überwinden, von Trauma – verarbeiten kann man eigentlich noch nicht sprechen. Er ist nur froh, dass er überlebt hat. Vielleicht hat man Glück und der Hund schließt sich sofort dem Menschen an, aber das ist nicht normal. Normal ist, dass sich der Hund am liebsten in Luft auflösen, sich verkriechen möchte und evtl. sogar seine Individualdistanz – die vom Menschen viel zu oft unterschritten wurde im Tierheim – gewahrt haben möchte, dies durch Knurren, Zähne fletschen und Abschnappen zeigt. Dadurch deutlich zeigt, was er von Streicheleinheiten hält.
Viele Menschen schreckt dieses Verhalten so sehr ab, dass der Hund, der gerade 12 Stunden vorher sich an den Menschen klammernd aus dem Transporter ausstieg, sofort wieder zum Tierschutzverein wandert. Bissig – bösartig – unberechenbar! Der angepriesene nette und hochsoziale Hund, der mit allem und jedem verträglich war, plötzlich eine Bestie, die ohne Maulkorb nicht aus dem Haus kann?!
Der Napf wird bis auf´s Blut verteidigt, den anderen Hund in der Familie hat er bereits „aus heiterem Himmel gebissen“ – so hat man sich das nicht vorgestellt. Aber so ist die Realität oft, wenn man nicht hündisch spricht und sehr blauäugig an den Tierschutzhund gerät.
Häufig liegen diese Hunde auch in ihrem selbst erwählten Eck, unter der Treppe in einer dunklen Ecke, unter der Eckbank – jahrelang, manchmal ein Hundeleben lang. Tolles neues Leben – so hat sich das der Hund bestimmt auch nicht vorgestellt. Es gibt Hunde die so sehr traumatisiert sind, dass sie bei vielen Kleinigkeiten (Geräusche oder Gerüche) sofort wieder re-traumatisiert werden und aus diesem Zustand der Angst überhaupt nicht mehr herauszuholen sind und unvermittelt beißen.
Wenn man nicht von Anfang an anders handelt und den Hund in seiner AndersArtigkeit akzeptiert!
Ganz individuell Zeit und Raum geben, aber mit Begrenzung und Struktur! Der Hund muss sich zuerst in seiner neuen Umgebung zurechtfinden, damit ist das Umfeld 1 (Haus bzw. Wohnung) gemeint. Der Hund muss wissen, dass er hier in Sicherheit ist! Um etwas anderes geht es im ersten Schritt nicht.
Grenzen geben Sicherheit, aber wenn der Hund nicht einmal gewöhnt ist, in einem Raum mit geschlossenen Türen zu schlafen, kann die Begrenzung durchaus zur Bedrohung werden. Um allerdings die Individualdistanz des Hundes nicht ständig unterschreiten zu müssen und dem Hund nicht zu nahe treten zu müssen, hat sich eine Hausleine bewährt, die nach und nach gekürzt werden kann. Der Hund hat einen individuellen Sicherheitsabstand von 1,5 oder 2 Metern und kann folgen. Ein gute Hundeschule mit einem Hundeerziehungsberater / Hundetrainer kann die helfen, diesen Sicherheitsabstand zu ermitteln und lernt dir den Hund zu lesen.
Sinn macht es ebenso im Garten vorerst eine Lösestelle zu etablieren, hierzu macht es Sinn sich zu erkundigen, auf welchem Untergrund sich der Hund zuvor gelöst hat (Zwingerflächen sind oft betoniert oder gefliest), der gleiche Untergrund erleichtert es dem Hund sich zu lösen und ihm zu erklären, dass die Wohnzimmerfliesen hierfür zwar geeignet, aber nicht gedacht sind.
In Sheltern mit Außenanlage ist es oft Sandboden oder Beton, von daher gibt es viele Hunde, die zuvor noch nie einen Grashalm gesehen haben, geschweige denn wissen, dass man darauf laufen und Pipi machen kann. Das darf man nicht vergessen!
Manche Tierheime bieten den Hunden eine möglichst gewohnte Umgebung an, das erleichtert den Hunden das Eingewöhnen an die neue Situation.
Der Mensch erwartet oft zu viel von diesen Hunden, diese Hunde kennen unser Leben nicht, woher auch. Ich vergleiche das gerne, wenn ich plötzlich im Ausland abgesetzt werden würde – ohne Sprachkenntnisse und ohne Möglichkeiten mich vorab zu informieren über Sitten und Bräuche, dann hätte ich auch keine Strategien und würde mich hilflos fühlen. Unsicherheit ist die Mutter der Aggression, weil man das Gefühl hat, sich verteidigen zu müssen. Beim Hund ist das nichts anderes. Sie reagieren aus ihrer Hilflosigkeit heraus gestresst, zeigen, dass sie mehr Distanz benötigen – also knurren, bellen, schnappen – je nach Erfahrungswert (war er damit erfolgreich oder nicht) mehr oder weniger heftig.
Genetik und Vorbild durch die Mutter spielen hier auch eine große Rolle. Die Mutterhündin von Kira (meiner kroatischen Hündin) fand Menschen per se doof und verbellte diese. Dieses Verhalten wird der Welpe vorerst nicht zeigen, das kommt erst später, denn das hat er von der Mutter gelernt! Wenn man hier nicht rechtzeitig gegensteuert, wird der Hund das später genauso doof finden, wie seine Mutter.
Viele Probleme, die der Hund in seinem neuen Zuhause hat oder zeigt, resultiert aus seiner Vergangenheit, in der dieser Hund meist genau diese Dinge nicht kennengelernt hat. Nicht schlechte Erfahrungen gemacht hat – wie so oft gedacht – sondern einfach nichts kennt. Keine Erfahrung ist schlimmer als schlechte Erfahrungen, denn diese könnte man relativ einfach gegenkonditionieren (= positiv belegen). Aber mit 80 Jahren eine neue Fremdsprache zu lernen ist schwerer als zweisprachig aufzuwachsen. So kann man es durchaus vergleichen, denn auch mit 80 kann man lernen, aber es dauert alles viel, viel länger. Genau so geht es diesen Hunden oft.
Mehr zum Thema Auslandshund im nächsten Blog!
Quelle der Bilder aus dem Tierheim: Fellkinder in Not e.V.
Dein Hund ist aus dem Auslandstierschutz? Der ist bestimmt dankbar und unproblematisch! – Teil 3