Abschalten – mehr als langweilig…

Oftmals sind Hunde aufgrund verschiedener Ursachen in unserer „normalen“ Welt vollkommen überfordert. Der Hund ist gestresst, zeigt sich ängstlich oder unsicher und reagiert eventuell sogar aggressiv. Alles nur, weil er Dinge, Geräusche, Menschen, bewegte Technik, andere Hunde oder städtische Reize schlicht nicht kennt.

Dann macht es Sinn, diesen Hund langsam an diese Reize zu gewöhnen – zu habituieren und graduell anzunähern. In vielen Fällen wird auch oft die Technik des Floodings eingesetzt, was bedeutet, dass der Hund mit diesem Reiz überschwemmt und etwas stark konfrontiert wird. Über den Sinn kann man denken, was man will, in der Psychotherapie wird es auch beim Menschen eingesetzt. Aber auch hier ist die Praktik umstritten. Wenn man als Mensch Todespanik vor Spinnen hat und man wird in einen Raum mit vielen großen Spinnen gesetzt – naja… Selbst wenn die Tierchen hinter Glas sitzen, wird in diesem Moment ein Hormoncocktail ausgeschüttet, der so viele Stresshormone beinhaltet, dass der Körper sofort fluchtbereit wäre. Beim Hund ist das genauso. Es gibt extrovertierte Hunde, die ihrer Angst oder ihrem Ärger lautstark Luft machen und es gibt introvertierte Hunde, die im Stillen leiden. Letztere fallen nicht auf – leider, denn genau sie bräuchten dringend Hilfe. Wie auch beim Menschen, der dann Magenschmerzen hat oder Migräne, wird auch der Hund körperlich Problematiken entwickeln (Allergien, Ausschläge, Haarverlust, Schilddrüsenprobleme, Gastritis,usw.), denn Stress frisst / verbraucht bestimmte Mineralstoffe, Enzyme und Hormone, die der Körper benötigt, um in seinem Gleichgewicht zu sein. Stress muss man natürlich erst erkennen, um zu sehen, dass der Hund gestresst ist:

Stress äußert sich in starkem Hecheln bis zum hyperventilieren, lautem bellen, stereotypen Verhaltensmustern, Stressfalten und nachher mit Stressabbau wie Belecken, sich im Kreis drehen, die „verrückten 5 Minuten „ haben, Kissen oder Gegenstände berammeln oder körperlich Durchfällen oder Erbrechen, auch nächtliches Sodbrennen kann die Folge sein, wenn der Hund zu viel von diesem angstauslösenden Reiz erlebt.

 

Deshalb ist das „langweilige“ Sitzen vor dem Auto mit dem Hund im Kofferraum (= Sicherheitszone mit Türsteher) in ausreichendem Abstand zum Reiz die gemäßigte Desensibilisierungsvariante. Der Hund ist in der Beobachterrolle und ausreichend weit weg. Sein Mensch sitzt schützend vor ihm und lebt Vorbild-verhalten vor, signalisiert dem Hund „es ist alles sicher“ oder „es passiert nichts“. Der Hund wird mit der Zeit lernen, sich an diese Reize zu gewöhnen. Dieser Zeitraum kann durchaus sehr viel Geduld abverlangen. Ein Hund aus dem Tierschutz, der nichts weiter als das Leben in einer Scheune kennt, wird mit allem überfordert sein. Mit diesem Hund kann es ein halbes Jahr dauern, bis er sich im Kofferraum überhaupt hinsetzen kann. Bis er entspannt im Auto liegend den Reiz unbesorgt beobachten kann, vielleicht nochmal ein halbes Jahr.

 

Fanis nach einem halben Jahr Abschalttraining an immer der gleichen Stelle. Endlich konnte er sich hinlegen und beobachten.

Kontinuität ist wichtig für ängstliche Hunde, es muss erst ein paar Mal an diesem Ort nichts passiert sein, ehe man einen Schritt weiter gehen kann.

 

Dessen sollte man sich als Mensch bewusst sein!

Genauso wie der Tatsache, dass Stress – den der Hund in dieser Situation hat – anstrengend ist. Falls man noch denkt „oh, der muss sich doch noch austoben auf der Hundewiese, sonst ist er zu wenig beschäftigt“, ist hier falsch. Der Hund ist hormonell auf Anschlag. Hat viel beobachtet, Stress ausgehalten und muss dringend verarbeiten, sprich schlafen. Dabei hilft ihm, wenn er satt ist. Das hat auch zudem noch den Sinn, dass er die Beobachtungen positiv verknüpfen kann, wenn er am Ende der Aktion gefüttert wurde. Manchen Hunden hilft es auch vor dem Abschalten zu fressen, das muss man individuell betrachten.

Wir helfen Dir / euch dabei mit Stress umgehen zu lernen, Stress zu erkennen und individuelle Stress – Management – Strategien für deinen Hund und Dich zu entwickeln.

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