hundeerziehungsberatung

Die Bindung

"Eure Bindung passt nicht, deshalb..."

Viele Hundeschulen schieben diesen Satz gerne den Hundehaltern in die Schuhe, wenn der Hund lieber mit anderen Hunden spielt, anstatt dem Pfiff des Halters nachzukommen oder der Rückruf klappt perfekt, solange kein Reh in Sichtweite ist und der Hund lieber der Jagd nachgeht, er sich nicht Bürsten lässt, an der Leine pöbelt oder beim Gassigehen lieber alleine seine Kreise zieht, an allem ist immer die fehlerhafte Bindung schuld. Ist das wirklich so??

Was ist eigentlich "Bindung"?

Sich binden, eine Verbindung zueinander haben, an jemanden gebunden oder falsch verbunden sein… es geht irgendwie um ein Thema, das 2 Individuen zueinander oder miteinander haben. In der Psychologie ist Bindung eine spezielle Form der Beziehung. Nun muss man erst diese beiden Begriffe voneinander abgrenzen! Man kann mit vielen Menschen Beziehungen haben, unterschiedlicher Natur (Geschäftsbeziehung, Liebesbeziehung, die gute Beziehung zum Bankberater, Mutter-Kind-Beziehung, usw.) oder mit ihnen in Beziehung zueinander stehen, aber mit einer Bindung muss dies nicht zwangsläufig zu tun haben. Ich kann mit meinen Kollegen eine gute Beziehung haben, aber eine Bindungsbeziehung ist das nicht, weil es sich um eine sogenannte sekundäre Beziehung handelt. Hierbei ist die Kollegin zum Beispiel durch eine andere neue Kollegin austauschbar. Das ist eine Mutter nicht.

Die primäre Beziehung

Bei der primären Beziehung geht es um eine nicht austauschbare Beziehung mit gleicher Zielsetzung. Bindung ist ein soziales imaginäres Band, welches 2 Menschen miteinander verbindet, weil Bindungsverhalten gezeigt und durch Fürsorgeverhalten erfüllt wurde. Beispiel: Das Kind schreit, weil es Hunger hat (Grundbedürfnis), die Mutter kommt und stillt es (Grundbedürfnisse Hunger, Nähe, Aufmerksamkeit, usw. erfüllt). Dadurch entsteht eine Beziehung zueinander, die durch nichts austauschbar ist.  Die Hundemutter ist ebenfalls Fürsorgespender, sofern sie entspannt ist, auch ein sehr Guter – der Grundstein für ein sicheres Bindungsmuster dieses Welpen ist gelegt. Hat die Mutterhündin keine Erfahrung oder wird dem Wurf entzogen, erfährt der Welpe, dass auf sein Fiepen keine Fürsorge folgt, somit liegt er in seiner Wurfhöhle ruft nach Mama, aber nichts passiert… Dieser Welpe wird kein sicheres Bindungsmuster aufbauen.

Das Bindungsmuster

Welches Bindungsmuster mein zukünftiger Hund also zeigt, wird bereits mit der Muttermilch ab Tag 1 aufgesogen. Als weiterer Faktor kommt der menschliche Kontakt hinzu, welchen der Welpe in der frühen Welpenzeit (ab der dritten Woche) erlebt, das Zeitfenster für einprägsame Erlebnisse ist kurz, umso wichtiger, dass der Welpe hier den Mensch als hilfreich und konstant liebevoll erlebt. Ist dies nicht der Fall, wird das Herstellen einer sicheren Bindung schwierig werden. Das soll nun nicht zu einer Ausrede werden, wenn der Hund nicht hört, aber sollte dennoch nicht außer Acht gelassen werden, gerade wenn es aus Hunde aus dem Tierschutz oder vom Vermehrer geht. Diese Hunde haben leider häufig andere Bindungsmuster erfahren, als eine sichere Bindung.

Der Mensch

Wenn der Mensch wichtig und hilfreich ist, er in primärer Beziehung zum Hund steht, ist es auch kein Problem in die Individualdistanz des Hundes einzudringen, sprich, ihm ganz nah zu sein. Ein großer Vertrauensbeweis ist das Krallen schneiden, Zähne nachsehen, Bürsten, usw. Der Hund, der keine sichere Bindung zu seinem Menschen hat, wird versuchen, sich dieser Situation zu entziehen oder sogar versuchen, den Menschen davon abzuhalten. Zwangsstreicheln oder –bürsten würde nicht zu mehr Vertrauen führen, sondern nur zu Meideverhalten (der Hund lässt es über sich ergehen aus Angst bestraft zu werden oder in der Hoffnung, dass es schnell vorüber ist und anschließend seinen Stress abschütteln) oder Belohnungsverhalten wäre eine Bezahlung für eine Funktion (Hund hat artig still gehalten und bekommt nun einen Keks, als Bezahlung für…wie in der Schule), bleibt die Bezahlung aus, wird alles in Frage gestellt, die Bezahlung eingefordert und falls nicht ausgehändigt rebelliert. Klar, es handelt sich hier nicht um soziales Fellpflegeverhalten – wie es in einer primären Beziehung normal wäre, sondern um eine sekundäre Geschäftsbeziehung, bei der man etwas für etwas tut, das man dann auch haben möchte. Wenn ich einen Monat gearbeitet habe, möchte ich am Monatsende auch mein volles Gehalt und nicht nur die Aussicht auf etwas (Clicker) oder Nichts oder nur manchmal etwas (intermittierende Belohnung). Nimmt mich mein Mann in den Arm fühlt sich das gut an, wenn er mir danach 5 € geben würde, würde ich bezweifeln, welche Art der Beziehung wir haben…

Der Aspekt „er tut was er will, wenn ich mit ihm Gassi bin“ oder „sobald er einen Hasen sieht, ist er weg“ hat auch mit Bindung wenig zu tun, eher mit den Instinkten des Hundes und der Erwartung an seinen Bindungspartner ihm zu folgen und bei der Hasenjagd behilflich zu sein. Hunde haben 4 grobe Instinkte:

  • Sie wollen sicher leben (Territorialinstinkt)
  • Sie möchten mind. einen Sexualpartner (Sexualinstinkt)
  • Sie möchten in Gemeinschaft / familiär aufgehoben leben (sozialer Rudelinstinkt)
  • Sie möchten etwas essen und sozial die Nahrung besorgen (Jagdinstinkt)

Er läuft aus diesen Gründen vor, um für Sicherheit zu sorgen, wird er zurückgerufen, kann er seinen Sicherheitsjob- den man ihm vorher mit dem Freilauf gegeben hat- nicht mehr ausüben. Falls ein anderer Hund entgegen kommt, der ihm und der gesamten Familie zu nahe kommt, wird er sich dem Hund gegenüber verbal äußern, dass er auf Distanz soll. Wird dieses Verhalten produktorientiert behandelt (bellen abgebrochen), wird der Hund zukünftig vielleicht nichtmehr knurren oder bellen, sondern gleich für Sicherheit sorgen (beißen). Wenn das Reh aufspringt, der Hund deshalb nicht mehr rückrufbar ist, hängt das mit der Genetik und den Hormonen zusammen, die in dieser Situation ausgeschüttet werden – ein Kick, ausgelöst durch Dopamin und Endorphin in einer Situation, die für den Hund den Nahrungserwerb bereits in Aussicht gestellt hat. Ähnlich der Situation, wenn ein Mensch zum feiern und sich betrinken auf ein Straßenfest geht und plötzlich jemand „Freibier“ ruft. Plötzlich sind alle (fast alle) Menschen rennend unterwegs in die Richtung, aus der die Stimme kam. Jemandem in der Situation des Achterbahnfahrens oder Bungee-Jumpings die Frage zu stellen „Liebst du mich?“ wäre ähnlich… Und zu diesem Menschen habe ich vielleicht sogar eine primäre Beziehung…

Man sieht, der Sachverhalt, was das Verhalten eines Hundes und der Bindung zu seinem Menschen angeht, ist viel komplexer und kann nicht einfach immer mit einem „da fehlt es an der Bindung“ abgetan werden. Man muss sich primär die Fragen stellen:

Welche Beziehung haben wir zueinander?

Warum tut der Hund gerade, was er tut – unter den oben genannten Aspekten!

Denn meistens hat der Hund durchaus eine Bindung zu seinem Menschen. Es ist nur die Frage, ob diese einem sicheren Bindungsmuster entspricht…

 

 

Du willst mehr zu den Bindungsmustern wissen, dann ließ mehr dazu in einem weiteren Blog!

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